Auferstehung, ... im Ernst?

Trotz Ostern – viele Menschen bezweifeln, dass Jesus wirklich leibhaft auferstanden ist. Ein kleiner multidisziplinärer Faktencheck.

Ohne Auferstehung ist der christliche Glaube sinnlos, ja, ohne Auferstehung (oder: ohne die Nachricht davon), gäbe es heute gar kein Christentum. Dieses hat sich nämlich durch die Nachricht von der Auferstehung entwickelt und verbreitet, gegen heftigen Widerstand über Jahrhunderte voller Gewalt, die diese Nachricht zum Verstummen bringen wollte. Denn sie irritiert die Menschen. Damals wie heute. Und damals wie heute wird über den Wahrheitsgehalt der Auferstehungsnachricht heftig gestritten, mit ganz ähnlichen Reaktionen: Als Paulus im aufgeklärten Athen von der Auferstehung erzählt, bilden sich drei Gruppen: die Spötter, die Indifferenten, die Gläubigen (vgl. Apg 17, 32–34). Das kommt einem sehr bekannt vor. Nicht von der Predigt auf der Agora, sondern von Diskussionen im Forum. Sicher: Auferstehung ist eine Frage des Glaubens. Dennoch kann man sich ihr auch als historisches Ereignis nähern und die Plausibilität der Nachricht prüfen: Ist Jesus wirklich leibhaft auferstanden?

Bild: Bernhard Riedl

Zunächst ist dreierlei klar. Erstens: Jesus ist gestorben. Das wissen wir nicht nur aus der Bibel. Wichtige Lebensereignisse – wie der Prozess und die Hinrichtung Jesu – gelten Historikern als bestens belegte Tatsachen, die weit umfassender und stichhaltiger belegt sind als vergleichbare Ereignisse der antiken Welt. Wir sind über keine Persönlichkeit der Antike so gut unterrichtet wie über den historischen Jesus von Nazareth. Die vier Evangelien beschreiben das Leben Jesu zwar nur bruchstückhaft, doch ist das im Ergebnis immer noch weit informativer als das, was wir etwa über den Philosophen Sokrates wissen. Es gibt zudem insgesamt mindestens neun Texte, die nicht zur Bibel gehören und in denen Jesus erwähnt wird. Es sind dies das Testimonium Flavianum (Flavius Josephus), eine Jakobusnotiz, der Talmud, die römische Geschichtsschreibung bei Sueton, Tacitus und Plinius dem Jüngeren sowie Notizen bei Thallus, Mara Bar Serapion und Lukian von Samosata. Sie sprechen von Jesus als dem Gekreuzigten. Zudem gibt es archäologische Befunde, die die Existenz Jesu nahelegen, etwa die Wandzeichnung eines Esels am Kreuz, eine antike Karikatur, mit der sich der Künstler über die Verehrung eines Gekreuzigten lustig macht; unterschrieben ist sie mit „Alexamenos betet seinen Gott an“. Zweitens: Der Leichnam Jesu wurde in ein Grab gelegt. In allen vier Evangelien wird von der Grablegung berichtet (Mt 27, 57–61; Mk 15, 42–47; Lk 23, 50–56; Joh 19, 38–42); auch danach wird dieser Umstand betont (vgl. Apg 13, 29; 1. Kor 15, 4). 3. Das Grab war am Morgen des dritten Tages leer. Dafür werden in den Evangelien verschiedene Zeugen benannt, die mit Schrecken und Entsetzen auf das leere Grab reagieren: Soldaten, die das Grab bewachen sollten, Frauen, die kamen, um den Leichnam Jesu einzubalsamieren und die Jünger, die von den Frauen gerufen wurden. Dass das Grab leer war, wurde damals, als eine Nachprüfung noch möglich war, auch von den Juden nicht bestritten, umstritten war lediglich, warum das Grab leer war. Eine mögliche Deutung lautet: Jesus ist leibhaft auferstanden.

Bemerkenswert ist vor allem der Hinweis auf Frauen als Zeugen des leeren Grabes, da Frauen in der Antike nicht als zeugnisfähig galten. Jetzt muss man bedenken: Wir haben nur das biblische Zeugnis der Auferstehung. Das ist sehr wenig. Das war auch den ersten Christen sicherlich klar. Nun ist es ja so, dass, wenn einem schon bewusst ist, auf welch dünnem Eis man sich bewegt, man nicht unbedingt auch noch darauf herumspringt. Genau das tun aber die Evangelisten. In geradezu fahrlässig naiver Weise werden Frauen als Hauptzeugen der Auferstehung eingeführt, die in der antiken Gesellschaft nichts gelten – mal zwei (Mt 28, 1), mal drei (Mk 16, 1), mal eine ganze Gruppe (Lk 24, 10). Das Zeugnis der Auferstehung ist also das Zeugnis von Frauen. Dieses Detail ist deswegen besonders pikant, da es nach der antiken Rechtsauffassung ausschließlich auf das Zeugnis ankam, um die Wahrheit eines Sachverhalts nachzuweisen; eine unabhängige Untersuchung der Indizien, wie wir sie heute kennen, fand nicht statt – zum Urteil führte entweder das Geständnis oder ein glaubwürdiges Zeugnis. Nun werden ausgerechnet Frauen genannt! Dazu ein Mann, der drei Tage zuvor dreimal gelogen hatte: Petrus (Lk 24, 12). Auch darüber berichten die Evangelisten schamlos. Warum aber erzählen sie die Geschichte so unglaubwürdig? Die einzig plausible Antwortet lautet: Weil sie genau so geschehen ist. Das heißt: Sie ist wahr.

Außer den Evangelienberichten gibt es weitere biblische Hinweise auf die Auferstehung Jesu. In einem Brief an die Gemeinde in Korinth, der etwa zwanzig Jahre nach der Auferstehung verfasst wurde, beschreibt der Apostel Paulus die Stimmung in der Jerusalemer Urgemeinde und nennt neben „Kephas“ (Petrus) und „den Zwölf“ (vgl. 1 Kor 15, 5) weitere Zeugen: „Danach erschien er mehr als fünfhundert Brüdern zugleich; die meisten von ihnen sind noch am Leben, einige sind entschlafen“ (1 Kor 15, 6). Wenn Paulus ganz unbefangen schreibt, dass die meisten der Zeugen noch leben, hält er sie offenbar für so glaubwürdig, dass er keine Nachfragen an die Urgemeinde fürchtet. Zuvor fasst Paulus den christlichen Glauben zusammen: Christus ist „für unsere Sünden gestorben“, wurde „begraben“ und „am dritten Tag auferweckt“ (1 Kor 15, 3–4). Petrus wiederum stellt sich und die anderen Apostel als Zeugen zur Verfügung. An Pfingsten spricht er in Jerusalem zur mehrheitlich nicht-christlichen Bevölkerung und stellt die Auferstehung in den Mittelpunkt. Er sagt: „Diesen Jesus hat Gott auferweckt, dafür sind wir alle Zeugen“ (Apg 2, 32). Auch er scheut offenbar keine kritischen Nachfragen.

Es könnte freilich auch noch andere Deutungen geben. Eine typische Erklärung für das leere Grab lautet, dass der Leichnam Jesu gestohlen worden sei (Mt 28, 13), um eine Auferstehung vorzutäuschen. Gegen die Leichenraubhypothese sprechen drei Dinge. Erstens: die Wachen vor dem Grab (Mt 27, 65). Zweitens: der Stein vor dem Grab (Mt 27, 60) und drittens: der Umstand, dass im Grab Leinentücher gefunden wurden (Joh 20, 5), höchstwahrscheinlich jene, mit denen man Jesu einbalsamierten Leichnam nach jüdischem Brauch umwickelt hatte (Joh 19, 40). Das heißt: Die Diebe hätten zunächst den Stein vom Eingang zum Grab entfernen müssen, ohne die Wachen zu alarmieren. Statt nun den Leichnam möglichst schnell aus dem Grab zu stehlen, sollen sie diesen erst einmal in aller Ruhe aus den Leinentüchern gewickelt haben, um diese dann im Grab zurückzulassen, nicht ohne zuvor das Schweißtuch von den Leinentüchern separiert und säuberlich zusammengebunden zu haben (Joh 20, 7)? Und das, obwohl sich ein starrer Körper nur sehr schwer handhaben lässt? Und das, obgleich der umwickelte und daher kompakte Leichnam wesentlich leichter zu transportieren gewesen wäre? Und das angesichts der großen Entdeckungsgefahr? Das ist höchst unwahrscheinlich.

Haben sich die Jünger die Auferstehung und die Begegnungen mit dem Auferstandenen womöglich nur eingebildet oder eingeredet? So etwas ist durchaus denkbar. Halluzinationen kommen – zumal in Stresssituationen – nicht gerade selten vor. Nur ist es schwer vorstellbar, dass verschiedene Menschen an verschiedenen Orten urplötzlich unter der gleichen Psychose leiden, die dann Jahrzehnte lang andauert und offenbar hoch ansteckend ist. Nicht nur die Jünger hatten das überwältigende Gefühl der spürbaren Anwesenheit ihres Herrn, sondern auch eine ganze Menge anderer Menschen, darunter solche, die Jesus nie gefolgt waren oder ihn und seine Anhänger sogar verfolgt hatten, darunter Paulus (1 Kor 15, 3–8). Und mit dessen Berufung endet die Massenpsychose (also die Erscheinungen des auferstandenen Jesus) wieder – so urplötzlich, wie sie begann? Möglich, aber nicht überzeugend.

Jesus erscheint nach Seiner Auferstehung den Jüngern – körperlich. Darauf legt der Evangelist Lukas Wert: „Seht meine Hände und meine Füße an: Ich bin es selbst. Fasst mich doch an und begreift: Kein Geist hat Fleisch und Knochen, wie ihr es bei mir seht. Bei diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und Füße“ (Lk 24, 39–40). Die Jünger können ihren Augen kaum trauen. Sie „erschraken und hatten große Angst“ (Lk 24, 37), sie „staunten, konnten es aber vor Freude immer noch nicht glauben“ (Lk 24, 41). Kurzum: Sie sind völlig von der Rolle. Ihnen wird erst allmählich klar, an welcher Geschichte sie teilhaben: Sie sind Zeugen für den seit Jahrhunderten von den Juden erwarteten Messias, der zuerst leiden und sterben und dann am dritten Tage von den Toten auferstehen sollte. Das leere Grab, das sie kurz zuvor schon in helle Aufregung versetzt hatte, war das eine. Nun aber kommt es bei und in Jerusalem zu einer Reihe von Erscheinungen Jesu, die den Osterglauben der Jünger erst zu dem machen, was er für das Christentum seither ist: die zentrale Glaubenswahrheit. Alles hängt an der Auferstehung. Umso bedeutender die Erscheinungen und ihre Darstellung. Der Auferstandene hat bei Lukas nicht nur einen Körper, er hat auch körperliche Bedürfnisse. Jesus hat Hunger: „Da sagte er zu ihnen: Habt ihr etwas zu essen hier?“ (Lk 24, 41) Der Auferstandene verhält sich wie jeder von uns, der einen Körper hat. Es soll ganz deutlich werden: Die Auferstehung ist keine Täuschung, sie ist konkrete Wirklichkeit.

Halt! Wenn es keine Täuschung war, dann vielleicht ein gigantischer Betrug. Über solcherlei Betrugsabsichten wurde damals schon spekuliert – unter der jüdischen Obrigkeit (Mt 27, 62–66). Deswegen der Stein, deswegen die Wachen. Warum aber erwähnt der Evangelist Matthäus dies? Wenn es den Betrug gab, könnten diese Worte dazu dienen, ein erklärendes Argument für die Skepsis nachzuschieben, die eine Generation nach Christus auftrat. Was jedoch eindeutig gegen die Betrugsthese spricht, das ist die Geschichte der Urgemeinde, der jungen Kirche. Eine Lüge gibt man irgendwann auf, wenn der Preis zu hoch wird, einen Betrug gesteht man ein, wenn der Widerstand zu groß wird. Zumindest zieht man sich schweigend zurück. Das Gegenteil ist aber der Fall: Gegen alle Widerstände wird die Nachricht verbreitet. Warum hielten sie daran fest, obwohl es sie sehr oft das Leben kostete? Warum haben sie die Lüge, wenn es denn eine war, so gut durchgehalten? Welches Gut ist mehr wert als das eigene Leben? Doch nur eine Wahrheit, für die es sich zu sterben lohnt. Und keine Lüge! Paulus meint dazu, dass es sich nicht lohnte, für den Glauben zu sterben, wenn es nicht um die Auferstehung als wahren Kern dieses Glaubens ginge (1 Kor 15, 17–19).

Die historisch-kritische Exegese der liberalen Theologie sieht in der Körperlichkeit der Erscheinungsdarstellungen nur eine rhetorische Form, die dazu dienen soll, psychische Zustände („Visionen“) nachträglich zu beglaubigen. Doch lässt sich diese Erklärung (die ja zumindest auf Selbstbetrug hinausläuft) durchhalten, wenn man den weiteren Verlauf der Geschichte betrachtet: 300 Jahre Verfolgung, zahllose Opfer unter den Christen, die ihr Martyrium zumeist tapfer ertrugen? Für den jüdischen Religionswissenschaftler Pinchas Lapide ist das undenkbar. Er hält die leibliche Auferstehung Jesu für den entscheidenden Faktor des urchristlichen Glaubens. Das Erstaunliche daran ist, dass Lapide als Jude den Auferstandenen nicht als Messias anerkennt, selbst nicht an Christus als den Sohn Gottes glaubt. Dennoch hält er es für unwahrscheinlich, dass sich das Christentum ohne die leibliche Auferstehung Jesu so entwickelt hätte, wie es sich entwickelt hat. Die Auferstehung sprengt jede menschliche Vorstellungskraft, insbesondere in dieser konkreten Gestalt. Doch unvorstellbar ist es ebenso, dass elf der zwölf Apostel wenige Jahre nach dem leeren Grab und den leiblichen Erscheinungen des Auferstandenen für Jesus in den Tod gehen – im Wissen darum, nur einem höchstselbst organisierten Betrug erlegen zu sein. So weit geht Täuschung nicht, weder Selbst- noch Fremdtäuschung. So weit geht nur Gewissheit.

Bei aller Wertschätzung historischer Befunde und logischer Schlüsse: Wer die Auferstehung bloß als Forschungsgegenstand begreift, verfehlt die Dimension des unendlichen Heils im Ewigen Leben, die Christi Auferstehung unserer Existenz verleiht und nimmt dem Glauben damit sein tiefstes Geheimnis. Denn der christliche Glaube erschöpft sich nicht im reinen Nachvollzug von Fakten, sondern besteht gerade auch in der Einlassung auf das, was sich unserer unmittelbaren Anschauung entzieht. Die Thomas-Forderung nach empirischer Verifikation (vgl. Joh 20, 25) ist menschlich verständlich, aber nicht der Weg, mit dem uns Gott überzeugen will.

Die Nachricht von der Auferstehung Jesu Christi ist unglaublich. Aber wahr. Sie ist die wichtigste Nachricht aller Nachrichten. Wir dürfen sie feiern und wir sollen sie bezeugen, damit sie weiter die Runde macht und alle Menschen erfahren, was es mit Ostern auf sich hat.

Autor: Josef Bordat

Quelle: Deutsche Tagespost, 30.03.2016

30.03.2016
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