Bußritus vollzogen

Wir danken Bischof Konrad Zdarsa für seinen Beistand

Bellenberg, 1. April 2017 Bischof Dr. Konrad Zdarsa hat gestern Abend in unseren beiden Kirchen in Vöhringen und Bellenberg den Bußritus vollzogen. Diese besondere Form der Liturgie war erforderlich geworden, nachdem vor einigen Wochen die Kirchenräume und Statuen teilweise großflächig beschmiert worden waren. In „Unsere Liebe Frau vom Rosenkranz“ Bellenberg wurde dabei auch der Altarraum nicht verschont und mit satanistischen Parolen geschändet. Das Kirchenrecht sieht für solche Fälle einen Bußritus durch den Diözesanbischof vor.

Roland Furthmair

In  seiner Predigt betonte Bischof Konrad gestern Abend vor den Gläubigen in Bellenberg, der Bußritus sei „ein ausdrückliches Bekenntnis unserer Entschlossenheit, dass wir nicht einfach hinnehmen werden, wenn unser Glauben und unser Glaubensleben verspottet, geschmäht, ausgegrenzt und angegriffen werden.“ Der Bußritus sei ein Zeichen, das ebenso gut und gern als unser Aufschrei übersetzt und verstanden werden sollte. In den Gotteshäusern seien wertvolle Bilder und Skulpturen verunstaltet und beschädigt worden. Sie könnten restauriert und repariert werden, wenn auch mit hohem auch finanziellen Aufwand. „Aber wer schreit denn von uns, wenn die Ebenbilder Gottes zu Hunderttausenden schon im Mutterleib zerstückelt und zerstört, dem Hungertod und Bombenhagel ausgeliefert und wegen ihres Glaubens verfolgt und vertrieben, grausam gequält, gefoltert und öffentlich hingerichtet werden?“, fragte er.

Und Bischof Konrad weiter: „Welchen Bußritus vollziehen wir denn für die unzähligen zerstörten und geschändeten Kirchen und Gotteshäuser unserer Schwestern und Brüder gerade einmal zwei, drei Flugstunden von hier entfernt?“ Es gebe keinen Grund, diese Verletzung der Gefühle der Gläubigen, den hohen materiellen Schaden und den ausdrücklich manifestierten Hass auf Glauben und Kirche von vornherein kleinzureden und zu verharmlosen. Die Anzeige bei der Polizei und die Verfolgung durch die Justiz seien mehr als gerechtfertigt. Und doch müssten wir diese Untat der Kirchenschändung genauer übersetzen und uns fragen: „Muss sie nicht doch als ein Aufschrei verstanden werden über die Erfahrung von Ungerechtigkeit und Sinnlosigkeit, Ohnmacht, Hoffnungslosigkeit und Ausweglosigkeit der eigenen Existenz?“

Der Bußritus in „Unsere Liebe Frau vom Rosenkranz“ wurde im Rahmen einer abendlichen Eucharistiefeier vollzogen. Als Zeichen der Buße hatten Bischof Konrad und die anderen Priester Gewänder in violetter Farbe angelegt, also die auch in der österlichen Bußzeit übliche liturgische Farbe. Ebenfalls als Zeichen der Buße war der Altar abgedeckt, alle Zeichen der Freude und der Festlichkeit wie brennende Lichter und Altartücher waren entfernt.

Zunächst begrüßte Bischof Konrad die Gläubigen außerhalb der verschlossenen Kirche. Er äußerte dabei seine Bestürzung: „Ich bin heute zu Ihnen gekommen, um Ihnen zu zeigen: Die Schändung der Kirchen geht nicht nur Ihre Gemeinde an.“ Wie zuvor bereits bei der Andacht in der Stadtpfarrkirche St. Michael in Vöhringen lud der Bischof dann zu einem Gebet um Heilung und Versöhnung ein: „Heile die Verletzungen, die uns die Schändung der Kirche zugefügt hat. Heile die Verletzungen, die Menschen einander zufügen und lass sie ihren Hass überwinden.“ Anschließend folgte das gemeinsame Gebet der Allerheiligen-Litanei. Während dieser zog die Gottesdienstgemeinde durch die von Bischof Konrad an der Spitze der Prozession geöffneten Portale in die Kirche ein. Dort segnete er Weihwasser, mit dem er den Altar, die Gläubigen und die Kirchenwände als äußeres Zeichen der Reinigung besprengte. Nach dem Wortgottesdienst wurde zu Beginn der Eucharistiefeier der Altar vom Diakon und den Ministranten mit dem Altartuch bedeckt. Außerdem stellten sie Kerzenleuchter auf den Altar, bevor die Eucharistiefeier in gewohnter Form fortgesetzt und mit einem Segensbebet abgeschlossen wurde.

Am Ende des Gottesdienstes richtete sich Pfarrer Martin Straub auch selbst mit einigen Worten des Dankes an Bischof Konrad und die Gläubigen: "Die Kirchenschändungen waren für unsere Pfarreingemeinschaft eine schmerzliche Erfahrung. Umso mehr sind wir heute über ihren bischöflichen Beistand dankbar." Insbesondere bedankte er sich bei Bischof Konrad und dem Bistum Augsburg, dass dieses die Kosten für den entstandenen Schaden in voller Höhe übernehmen werde. Dieser könne noch nicht beziffert werden, weil die Arbeiten noch nicht abgeschlossen seien. „Aber es werden insgesamt mehrere zehntausend Euro sein“, so Pfarrer Straub.

 

Predigt von Bischof Dr. Konrad Zdarsa

„Ihr kennt mich und wisst, woher ich bin; aber ich bin nicht in meinem eigenen Namen gekommen, sondern er, der mich gesandt hat, bürgt für die Wahrheit.“

Liebe Schwestern und Brüder,
wollen wir diese Worte unseres Herrn etwa nur als eine Wiedergabe, eine historische Schilderung eines hochdramati-schen Geschehens in der Auseinandersetzung Jesu mit seinen Gegnern vor seinem Leiden und Sterben verstehen? Wollen wir nicht viel lieber jedes Evangelium, so sehr es auch auf die historische Szene verweist, immer als eine Botschaft, ja letzt-lich als die Frohe Botschaft unseres Herrn Jesus Christus an uns gerichtet vernehmen?
Eigentlich müsste nämlich bei diesen Worten unseres Herrn nicht nur vom „Rufen“, sondern vom „Schreien“ gesprochen werden. Nur sehr wenige Male wählt der Evangelist das Wort „Schreien“ als ein Sagen mit dem Aufgebot aller Kräfte des Leibes und der Seele, nämlich immer da, wo Jesus vom We-sen seiner Existenz und Sendung spricht. Dann aber sollten wir aufhorchen, denn Jesus war beileibe kein Schreier, ja wir sollten uns vielleicht sogar selber fragen: Kennen wir denn Jesus wirklich, kennen wir denn Jesus und den, der ihn gesandt hat und in dessen Namen er gekommen ist?
Was hat denn die Nachricht von der Schändung unserer Kirchen bei uns ausgelöst? Tiefes Erschrecken? Oder Trauer? Oder gar Zorn? Hat sie uns überhaupt getroffen? Oder ziemlich kaltgelassen?
Noch in der Abwägung, welche Maßnahmen nun zu treffen sind, und angesichts der Tatsache, dass der heilige Bezirk dieser Kirche offensichtlich noch nicht in dem später viel umfassenderen Umfang betroffen war und der Pfarrer dennoch die Abendmesse gefeiert hat, stieg ein beklemmendes Gefühl in uns auf, drängten sich uns Fragen auf: Bleiben nun auch unsere Kirchen von allfälligen Gefühlsausbrüchen und Hassbotschaften in anonymen Schmierereien nicht mehr verschont? Sind wir denn nicht einmal mehr an heiligen Orten vor solchen manifesten Anfeindungen sicher? Und diese Fragen werden wir wohl gerade in dieser Zeit nicht so schnell wieder los werden.
Der Bußritus, den wir der Ordnung der Kirche entsprechend vollziehen, ist auch ein ausdrückliches Bekenntnis unserer Entschlossenheit, dass wir es nicht einfach hinnehmen werden, wenn unser Glauben und unser Glaubensleben verspottet, geschmäht, ausgegrenzt und angegriffen werden. Auf welche Weise auch immer. Ein Zeichen, das ebenso gut und gern als unser Aufschrei übersetzt und verstanden werden sollte.
Denn wir gehören zu Jesus, haben ihn schon kennengelernt und wollen ihn noch tiefer kennenlernen, und wollen schließlich zu dem gelangen, der ihn gesandt hat und in dessen Namen er zu uns gekommen ist.
Aber bedarf es denn erst solchen Frevels am heiligen Ort, um uns zu dieser Entschlossenheit und diesem Bekenntnis aufrütteln und bewegen zu lassen?
Wertvolle Bilder und Skulpturen sind verunstaltet und beschädigt worden. Sie können restauriert und repariert wer-den, wenn auch mit hohem restauratorischen und finanziel-len Aufwand. Aber wer schreit denn auf von uns, wenn die Ebenbilder Gottes zu Hundertausenden schon im Mutterleib zerstückelt und zerstört, dem Hungertod und Bombenhagel ausgeliefert  und wegen ihres Glaubens verfolgt und vertrieben, grausam gequält, gefoltert und öffentlich hingerichtet werden?
Welchen Bußritus vollziehen wir denn für die unzähligen zerstörten und geschändeten Kirchen und Gotteshäuser unserer Schwestern und Brüder gerade einmal zwei, drei Flugstunden von hier entfernt?
Mächte und Gewalten sind angetreten gegen die lebendigen Zeugen des Allerhöchsten in seinen Geschöpfen und Ebenbildern, in ihrer Frömmigkeit und ihrer Kultur.

Was immer uns bewegt angesichts der Schändung unserer Kirchen hier vor Ort und der darauffolgenden Schließung, welche Erklärungen und Ratschläge vielleicht mancher ganz schnell zur Hand gehabt haben mag, wir haben dennoch zunächst keinen Grund, diese Verletzung der Gefühle der Gläu-bigen, den hohen materiellen Schaden und den ausdrücklich manifestierten Hass auf Glauben und Kirche von vornherein kleinzureden und zu verharmlosen. Die Anzeige bei der Polizei und die Verfolgung durch die Justiz ist in einem freiheitlichen Rechtsstaat, der von Werten lebt, die er selber nicht hervorbringt, mehr als gerechtfertigt. Auch der oft sehr rasch geäußerte Hinweis auf schlechte Lebenserfahrungen eines Täters möglicherweise in der Kindheit und Jugend wird dem Fanal der Schändung nicht gerecht.
Wir dürfen aber auch fragen: Ob er mit der Verletzung der Gefühle der Gläubigen wirklich den treffen wollte, den sie anbeten und verehren? Und wenn er es schon wollte, ob er es denn wirklich könnte?
Wenn das Bewusstsein für die unmittelbare Gegenwart Got-tes in diesem Haus schon bei manchen Gläubigen nur mehr schwach ausgebildet ist, wie sollte es denn dann bei dem vorhanden sein, der sich von seiner Kirche abgewendet hat? Sogar die scheinbar Frommen, die ihren Vorurteilen verhaftet sind – das lehren uns die Gegner Jesu im heutigen Evangelium – sind unfähig, in Jesus Gottes Gegenwart und Anspruch wahrzunehmen.
Aber noch diese Untat der Kirchenschändung müssen wir genauer übersetzen und uns fragen: Müssen wir sie nicht trotzdem als einen Aufschrei verstehen, der gerade das auslösen sollte, was uns getroffen hat? Muss sie nicht doch als ein Aufschrei verstanden werden über die Erfahrung von Ungerechtigkeit und Sinnlosigkeit, Ohnmacht, Hoffnungslosigkeit und Ausweglosigkeit der eigenen Existenz?

„Wo die ordnenden Kräfte nicht tragen, da nehmen die Mächte der Tiefe die Last auf sich und schleppen sie dem Ab-grund zu, …“ – sagt der Dichter Reinhold Schneider. Und an anderer Stelle gleichsam als Korrektur: „Das ganze Grauen der Welt ist nur ein Abbild des Grauens in unserem Herzen.“

Liebe Schwestern und Brüder,
dieser Bußritus heute bedeutet mehr als nur eine kirchenamtliche Handlung, die im Gesetzbuch der Kirche vorgeschrieben und deren Durchführung dem Urteil des Bischofs überlassen ist. Dieser Bußritus in der Zeit der Vorbereitung auf Ostern kann auch als eine notwendige Reaktion auf unser aller Friedlosigkeit und das mannigfache Aufbegehren unseres eigenen Herzens verstanden werden, das in Taten umzusetzen uns vielleicht nur der Rausch der Verwirrung oder der dafür erforderliche Mut fehlt.
Und auch dieses Eingeständnis muss schließlich noch tiefgehender betrachtet und treffender übersetzt werden. Aber so sehr wir uns darum bemühen, umso mehr dürfte uns klarwerden, dass wir uns selber kein befreienderes Wort sagen können als das Wort, das Fleisch geworden ist und unter uns gewohnt hat. Jesus Christus – der mit seinem letzten Aufschrei am Kreuz uns den stummen Mund geöffnet hat zur Anbetung und zum österlichen Jubelruf.   Amen

31.03.2017
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