Sonntag in der Hauskirche

Die verklärten Wundmale

Seit ihren Anfängen versucht die Kirche Christi, ihre eigene Existenz zu verstehen und ihr Wesen zu deuten. Im Schlusskapitel des Johannesevangeliums (Joh 21) erscheint als Bild der Kirche das Schiff des Petrus: eine mühsame Arbeit, bei der aller Erfolg vom Wort und Willen Jesu abhängt.

 

Betrachtung zum Johannesevangelium  21,1 - 14

 

Liebe Schwestern und Brüder im Herrn!

Der Maler Sieger Köder – er war ein Priester – hat zur Erscheinung des Auferstandenen am See von Tiberias ein beeindruckendes Bild gemalt.

Der Betrachter schaut aus der Perspektive von Jesus auf den Moment, als Petrus aus dem See stieg. Im Vordergrund brennt ein Kohlenfeuer mit Brot und Fisch darauf. Der Auferstandene ist selbst nicht sichtbar, nur seine von den Wundmalen durchbohrten Hände ragen in das Bild; diese laden die Jünger ein zum Mahl. 

Die Berichte über die Erscheinungen des Auferstandenen haben stets den gleichen Inhalt: Jesus sammelt die zerstreuten Jünger wieder, um in ihnen den Glauben an die Auferstehung zu wecken. Und mit der Gewissheit, dass er lebt, gibt er ihnen zugleich die Kraft und den Auftrag als seine Boten hinauszugehen und genau dies zu bezeugen – dass der Gekreuzigte lebt.

Die Jünger begreifen, dass der Tod und die Auferstehung Jesu eine neue Gotteskindschaft erworben hat. Eine Gemeinschaft, die Jesus nun durch seine durchbohrten und verklärten Hände anbietet.  

Die fünf verklärten Wundmale, mit denen Jesus sich vielerorts zeigt, sind gleichsam das göttliche Siegel, dass die Erlösung Realität geworden ist – zu allen Zeiten und an allen Orten durch den Glauben zugänglich. Die fünf verklärten Wundmale Christi sind gleichsam das Ehrenzeichen Gottes für seinen Einsatz am Kreuz zu Gunsten der Welt und der Menschen. Mit diesen erlösten Wunden sendet Jesus seine Jünger, um die Wunden der Welt zu heilen.

Zwei Wunden prägen die Hände des Erlösers.

Mit den Händen arbeiten und schaffen wir. Mit den Händen beten und dienen wir. Die Hände können zerstören und töten. In den Handlungen der Hände wird die Haltung des Herzens deutlich: Wie deine Hand sich bewegt, so schlägt dein Herz, kann man sagen.

Die Handmale des österlichen Christus bringen unsere Hände in eine österliche Haltung, indem sie aus Fäusten helfende Hände machen. An den Händen, die das Brot brachen, erkannten die Emmausjünger den auferstandenen Herrn und in diesem Erkennen des Erlösers liegt das Heil der Menschen.

Nur die österlichen Wundmale Jesu werden letztlich die Mächtigen dieser Erde veranlassen, die Waffenarsenale zu verringern und die Brotvorräte zu vermehren, damit die Menschen nicht verhungern müssen. Können wir uns den heiligen Franziskus, der mit den Wundmalen Jesu gezeichnet war, mit einem Maschinengewehr in der Hand vorstellen? Wohl aber mit den gefüllten Händen, die den Hungernden das Brot brachten.

Die österliche Veränderung der Hände soll auch sichtbar werden an unseren Händen, die sich der Not des Nächsten annehmen. Wie deine Hand sich bewegt, so schlägt dein Herz – das zeigt sich auch in der Coronakrise.

Zwei Male prägen die Füße des Auferstandenen.

Die Füße setzen den Menschen in Bewegung, hin zur Sünde oder zu Werken der Liebe. Sie tragen den Menschen ins Leben oder in den Tod. Der Mensch ist ein unruhiger Zeitgenosse, ein Pilger, der über die Straßen der Welt wandert.

Sind unsere Füße gezeichnet von den Fußmalen Christi, dann gehen wir die Wege des Herrn und nicht die Trampelpfade der Moden und Trends. Dann gehen wir nicht im Gleichschritt öffentlicher Meinung, sondern – wenn es sein muss – auch gegen alle Trends die Wege Gottes.

Der Auferstandenen durchschreitet sogar verschlossene Türen. Auferstehungsmenschen – und das sind wir – sind auch berufen, in scheinbar versperrte und verriegelte Räume des eigenen Herzens zu gehen und zu anderen Menschen, um das Heil hineinzutragen. D.h. unsere Füße sind verantwortlich, dass auf den Wegen in der Pfarreiengemeinschaft Vöhringen die Fußspuren Jesu nicht verwischt werden, so dass Menschen von den Holzwegen und aus den Sackgassen immer wieder zu den Spuren Jesu zurückfinden können.

Die Herzenswunden

Die Mitte Jesu, die Herzensmitte, ist gekennzeichnet nur von einer Wunde. Hier ist die schmerzlichste, tiefste und verheißungsvollste Wunde. Sie trifft das Herz des Menschen, das oft hin und her gerissen ist in Sehnsucht, in Hass und Reue, in Jubel und Hoffnung.

Auf die Frage, was ist härter als ein Stein, antwortet ein vom Leben enttäuschter Mann, das menschliche Herz. Seit Ostern haben wir nicht mehr das Recht zu einer solchen Antwort. Seitdem das Herz Jesu offen steht, haben wir die Vollmacht zu bitten: Herr, bilde unser Herz nach deinem Herzen!

Das menschliche Herz kann eine Mördergrube sein oder eine Goldgrube. Alles Böse in der Welt: Krieg, Hass, Feindschaft und Not kommen zuerst aus dem menschlichen Herzen. Aber auch alles Gute in der Welt: Friede, Freude, Eintracht, und Trost sind ebenfalls zuerst im Herzen des Menschen.

Liebe Schwestern und Brüder, die fünf Wundmale, die der Auferstandene den zunächst zweifelnden Jüngern entgegenhält, beinhalten alles, was den Menschen bewegt und alles was er braucht. Auch unser Leben ist gekennzeichnet von Wunden – das spüren wir besonders in dieser Zeit der Pandemie. Aber das Erbarmen Gottes kann auch durch diese Wunden hineinströmen in unsere Zeit. Nicht nur der hl. Franziskus, der die Wunden des Herrn sichtbar getragen hat, ist ein Beispiel dafür, sondern auch die unzähligen Menschen, die sich der Osterbotschaft geöffnet haben: Männer und Frauen, die Gott mehr gehorchen als dem Menschen, die mit ihrem Gewissen nicht handeln lassen.

Es gilt dann die Verheißung: Nicht nur durch die Wunden des Herrn sind wir geheilt, sondern auch durch die vielen Wunden derer, die mit Jesus in dunkler und verwirrter Zeit gehen, weil es letztlich seine österlichen Siegesmale sind.

Liebe Schwestern und Brüder, wir dürfen, ja wir sollen „Gezeichnete Christi“ sein und so auf der Seite der Zukunft stehen, weil wir auf der Seite Christi stehen. Dazu dürfen wir uns in der Osterzeit beglückwünschen. Das ist der Sieg, der die Welt verändert: unser Osterglaube. Amen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

08.04.2020
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