Die geistliche Kommunion besser verstehen

„In den Gesprächen, die ich in der letzten Zeit mit Gläubigen geführt habt, ist mir bewusst geworden, dass vielen nicht so klar ist, was sie unter der "geistlichen Kommunion" verstehen sollen, die unter den gegebenen Umständen plötzlich wieder sehr aktuell geworden ist. Daher habe ich diese kleine Katechese geschrieben..."

© Peter Weidemann

 

Was  meint  „geistliche Kommunion“?

Für viele Gläubige war es ein Schock, als so plötzlich flächendeckend Gottesdienst abgesagt wurden. Was immer selbstverständlich war, was zum Wichtigsten ihres Lebens gehörte, war plötzlich nicht mehr möglich. Mittlerweile ist der erste Schock vorbei. Es gibt mittlerweile viele Livestreams und Fernsehübertragungen, durch die man wenigstens medial Gottesdienste mitfeiern kann. Aber es bleibt ein Schmerz, der vor allem darin besteht, die Kommunion nicht mehr empfangen zu können. Und es stellen sich neue Fragen. Da der normale Kommunionempfang nicht mehr möglich ist, spricht man wieder von der sogenannten „geistlichen Kommunion“; wobei vielen nicht  ganz klar ist, was das eigentlich sein soll. Darum soll es in diesem Impuls gehen.

Man könnte einwenden, in der aktuellen Corona-Krise gebe es drängendere Themen als die theologische Frage nach dem Kommunionempfang. Ja, jetzt sind wir Christen gefragt, um mit allen andern Bürgern unseres Landes unseren Beitrag zur Bewältigung dieser riesigen Herausforderung zu leisten: in den medizinischen und pflegenden Berufen, in der Hilfeleistung und im tröstenden Beistand für Betroffene; in der sozialen Verantwortung, uns solidarisch zu zeigen mit der ganzen Gesellschaft, indem wir die staatlichen Einschränkungen unserer Außenkontakte respektieren und nicht die Supermärkte leerhamstern.

Diese Zeit mit ihrer Bedrohlichkeit und Unsicherheit ist für uns alle eine Herausforderung. Sie macht Angst, weil wir nicht wissen, was noch alles auf uns zukommt. Und ein derart eingeschränktes Sozialleben im kleinsten Kreis kann auch auf Dauer anstrengend und herausfordernd werden. Kurz: Es ist eine Zeit, in der wir dringend innere Kraft brauchen! 

Für katholische Christen ist die Eucharistie eine zentrale Kraftquelle. Deswegen ist es kein unnötiger Luxus darüber nachzudenken, wie wir auch unter den gegebenen Umständen aus dieser Quelle schöpfen können. 

Man hört und liest dieser Tage immer wieder: Man kann jetzt die Kommunion nicht mehr empfangen. Ich habe es auch gerade so gesagt. Theologisch gesehen stimmt dieser Satz nur zur Hälfte. Ja, man kann nicht mehr in der gewohnten Form zur Kommunion gehen. Man kann sie momentan nicht in der vollen sakramentalen Form empfangen. Aber man könnte genauso gut sagen, und das ist die gute Nachricht: Wir können die Kommunion nach wie vor empfangen! Nur eben anders, eben geistlich. Es ist also eine Frage der Sichtweise, ob das Glas halb voll oder halb leer ist. Wenn man genauer hinschaut, was die geistliche Kommunion eigentlich ist, würde ich sagen: Das Glas ist mehr als halb voll! Das möchte ich in diesem Impuls zeigen! Ich denke, den meisten Gläubigen ist nicht bewusst, welche Tiefe und welcher Reichtum in der geistlichen Kommunion steckt. Ja, sie ist eine Notlösung, aber sie ist weit mehr als das. Sie enthält alles wesentliche! Und wenn wir das verstehen, dann können wir aus ihr große Kraft schöpfen, selbst wenn wir die Eucharistie nicht sakramental empfangen können.

Aber nun der Reihe nach. Die Lehre von der geistlichen Kommunion geht der Sache nach auf den heiligen Augustinus zurück. Er hat unterschieden zwischen dem „Zeichen eines Sakraments“ und dem „inneren Gehalt“. Das äußere Zeichen der Taufe beispielsweise ist das Übergießen mit Wasser, verbunden mit dem Taufwort auf den dreifaltigen Gott. Der innere Gehalt ist die Befreiung von Sünden, das neue Leben der Kinder Gottes und die Aufnahme in die Gemeinschaft der Kirche. Wenn nun jemand - was in der Antike in der Zeit der Christenverfolgung oft der Fall war - zwar getauft werden wollte, das aber durch die äußeren Umstände nicht möglich war, so sagt Augustinus: Sein Verlangen danach und die Absicht, so bald wie möglich getauft zu werden, genügt, dass er die Gnade des Sakraments, also den inneren Gehalt bereits empfängt. 

Und dasselbe, so Augustinus, gilt auch für die Eucharistie. Man kann das eucharistische Brot auch geistlich, im Herzen essen, nicht mit Mund und Zähnen. (In Ioh. tract. 26, PL 35, 1612). Man kann geistlich nach ihm Hunger haben und durch geistlichen Empfang auch wirklich gesättigt werden (ebd. 1614). 

In der Messe spricht der Priester nach der Kommunion dieses stille Gebet: „Was wir mit dem Mund empfangen haben, das lass uns mit reinem Herzen aufnehmen.“ Das geht zurück auf die Tradition, dass man die Kommunion auf diese beiden Weisen empfangen kann - leiblich und geistlich. Normalerweise sind beide Weisen verbunden, aber in Ausnahmefällen wie momentan kann man die Eucharistie auch auf nur geistliche Weise empfangen. Diese Lehre hat das Konzil von Trient (Dekret über das Sakrament der Eucharistie, Kap. 8, DH 1648) festgeschrieben: Es heißt dort wörtlich: Diejenigen empfangen das Sakrament der Eucharistie auf nur geistliche Weise, „die jenes vor Augen gestellte Brot dem Verlangen nach essen mit lebendigem Glauben“. Und es heißt dort auch: In der geistlichen Kommunion verspürt man „die Frucht und den Nutzen des Sakraments“. 

Das ist etwas nüchtern ausgedrückt – theologische Fachsprache. Aber was ist damit gemeint: Was ist die Frucht der Eucharistie, die man auch in der geistlichen Kommunion empfangen und verspüren kann?

Die Eucharistie ist die tiefste Gemeinschaft mit Gott, die auf Erden möglich ist. Christus, der Sohn Gottes, ist mit Leib und Seele in der Eucharistie gegenwärtig. Er kommt ihn in uns, um in uns zu wohnen. Wir empfangen seine ganze Liebe, die er uns in seinem Leiden und seinem Tod am Kreuz gezeigt hat. Wir empfangen ihn als den Auferstandenen und damit jetzt schon das ewige Leben. Wir empfangen die Kraft seines Heiligen Geistes, der uns als neue Menschen leben lässt. Wir werden erneuert in der inneren Freiheit und Freude der Kinder Gottes. Durch jeden Empfang der heiligen Kommunion werden uns die Sünden vergeben. Wir empfangen innere Kraft, um den Versuchungen nicht nachzugeben. Die Eucharistie ist Nahrung für die Seele, die uns stärkt, unseren Weg trotz aller Widerstände und Schwierigkeiten weiterzugehen. Durch die große Liebe, die der Herr uns in diesem Sakrament schenkt, wird auch unsere Liebe neu entfacht. Wir bekommen neue Energie, um die Menschen um uns herum neu anzunehmen, auch die anstrengenden, und um die Aufgaben, die uns aufgetragen sind, aus der inneren Kraft dieser Liebe heraus zu erfüllen. 

Das sind, kurz gesagt, die Früchte des Kommunionempfangs. Diese Früchte können wir auch durch die geistliche Kommunion empfangen! Jetzt wird hoffentlich ganz deutlich: Auch wenn das äußere Zeichen fehlt, ist das Glas doch weit mehr als halb voll! 

Dass das Ganze nicht nur trockene theologische Theorie ist, zeigt das Beispiel der Heiligen. Sie haben es ganz konkret so erfahren. Der hl. Angela von Merici beispielsweise wurde eine Zeit lang untersagt, die tägliche Messe zu besuchen. Daher praktizierte sie die geistliche Kommunion und macht die Erfahrung, dass sie Jesus genauso nah und innig erfahren darf, wie es zuvor beim Kommunionempfang in der Messe der Fall war. 

Normalerweise, so sagt das Konzil von Trient, ist sakramentale Kommunion in der vollständigen Form „reicher an Früchten“. Deswegen ist es normal, dass uns jetzt etwas fehlt, und deswegen sehnen wir uns auch danach, dass wir wieder gemeinsam Gottesdienst feiern können. Aber wenn jemand in einer solchen Ausnahmesituation wie jetzt mit großer Sehnsucht den Herrn in der geistigen Kommunion empfängt, kann er dem Herrn genauso tief begegnen und genauso mit geistlichen Gaben beschenkt werden wie in der sakramentalen Kommunion. Im französischen Lexikon der Spiritualität kann man sogar lesen (vgl. DSp 2,1299): Wenn wir in einer Ausnahmesituation, in der der normale Kommunionempfang nicht möglich ist, uns umso mehr nach der Gemeinschaft mit Jesus in der Eucharistie sehnen, dann kann die geistliche Kommunion für uns sogar fruchtbarer sein, als wenn wir bei anderer Gelegenheit einfach nur routinemäßig zur Kommunion gehen, ohne unser Herz wirklich für diese besondere Begegnung mit dem Herrn zu bereiten.

Es geht hier natürlich nicht um ein „quantitatives“ Abwägen, wo jetzt mehr oder weniger Gnade ist. Aber ich finde, es liegt ein großer Trost darin zu wissen, dass uns der Herr nicht weniger nahe ist, sich uns nicht weniger schenkt als dann, wenn wir wie gewohnt Gottesdienst feiern. So können wir uns in der gegenwärtigen Situation danach sehnen, die Eucharistie wieder sakramental zu empfangen. Aber gleichzeitig dürfen wir den Herrn auch so in der geistigen Kommunion ganz nah bei uns wissen.

Wenn wir nun etwas mehr verstanden haben, worum es in der geistlichen Kommunion geht, können wir uns fragen: Wie machen wir das nun praktisch? Wie geht das, „geistlich kommunizieren“? 

Geistliche Kommunion kann in der Weise erfolgen, dass man bei einer heiligen Messe dabei ist und sie innerlich mitfeiert, ohne sakramental zu kommunizieren. Das entspricht der jetzigen Situation, wenn wir die Messe über das Fernsehen oder einen Livestream anschauen - oder besser gesagt eben nicht nur Zuschauer sind, sondern aktiv innerlich daran teilnehmen. Dann kann ich im Moment des Kommunionempfangs mein Herz öffnen und im Glauben den Herrn empfangen, der sich mir schenken will. Ich kann so beten, als ob ich gerade in der Messe sakramental die Kommunion empfangen hätte. Glauben, dass er da ist, mir ganz nah ist. Alle Herzensangelegenheiten mit ihm besprechen. Oder einfach mich seiner Gegenwart freuen, mich lieben lassen, ruhen an seinem Herzen.

Die geistliche Tradition kennt aber auch die Form, dass die geistliche Kommunion im persönlichen Gebet praktiziert werden kann, außerhalb einer Messfeier oder einer Übertragung durch die Medien. Dann gehören dazu folgende Schritte, die an die Messfeier angelehnt sind:

  • ein innerer Akt der Reue für meine Sünden und die Bitte um Vergebung;
  • ein Akt des Glaubens in die wirkliche Gegenwart des Herrn in der Eucharistie, an seine große Liebe zu uns, in der er uns in der Kommunion mit sich vereinen möchte;
  • ein Akt der Demut, wie wir auch nach biblischem Beispiel in der Messe beten: „Herr, ich bin nicht würdig…“ – um dann in umso größer Freude dieses ganz unverdiente Geschenkt zu empfangen;
  • dann die geistliche Kommunion selbst, wie schon beschrieben;
  • danach Lob und Danksagung dafür, dass der Herr zu uns gekommen ist.

Die jetzigen Umstände sind dramatisch und wir hoffen, dass die Corona-Pandemie bald eingedämmt wird und wir langsam zur Normalität des Lebens und damit auch der kirchlichen Praxis zurückkehren können. 

Aber vielleicht ist ein positiver Nebeneffekt dieser Zeit auch, dass wir die geistliche Kommunion neu entdecken. Diese Form, den Herrn zu empfangen, kann man nämlich auch nach dieser Krisenzeit fortsetzen, wenn normaler Kommunionempfang wieder möglich ist. 

Nach kirchlicher Lehre kann man die geistliche Kommunion nämlich beliebig oft, zu jeder Tages- und Nachtzeit vollziehen. Nicht nur, wenn man bei einer Live-Übertragung der Hl. Messe dabei ist. Wir können diese Form der geistlichen Kommunion auch praktizieren, z.B. wenn wir gerne auch unter der Woche in die Messe gegangen wären, aber es zeitlich nicht schaffen. Oder einfach am selben Tag, wenn man schon in der Messe war, im stillen Gebet, um uns bewusst zu machen: Jesus hat diese stete Sehnsucht zu uns zu kommen, ganz nah bei uns zu sein, in uns zu wohnen. Die geistliche Kommunion ist eine Weise, wie wir ganz einfach und ganz tief die Verbindung mit Jesus Christus immer neu beleben können, der sich in der Eucharistie uns ganz schenken will. 

Das zu erfahren wünsche ich allen, die jetzt gerade nicht zur Messe gehen können. So kann diese Zeit vielleicht sogar dazu beitragen, dass wir die Eucharistie besser verstehen und tiefer aus ihr leben.

Spiritual Dr. Andreas Schmidt (Priesterseminar München, Gemeinschaft Emmanuel)
09.04.2020
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