Ostersonntag

Dumme Ansicht oder frohe Aussicht?

Die Freude über das Geschenk der Erlösung kann das Corona-Virus den Gläubigen nicht nehmen. Sie wissen: das letzte Wort hat nicht die Krankheit, nicht die Not noch der Tod, sondern der Auferstandene. Er sagt: Ich lebe und ich will, dass du lebst.

 

Betrachtung zum Osterevangelium

 

Liebe Brüder und Schwestern!

Ein Junge und eine Mädchen – Zwillinge – unterhalten sich vor ihrer Geburt im Bauch ihrer Mutter. Die Schwester sagt zu ihrem Bruder: „Ich glaube an ein Leben nach der Geburt!“ Der Bruder erhebt heftigen Einspruch: „Nein, das hier ist alles. Hier ist es schön dunkel und warm, und wir halten uns an der Nabelschnur fest. Darüber hinaus gibt es nichts!“

Aber das Mädchen gibt nicht nach: „Es muss doch mehr als diesen dunklen Ort geben - einen Ort, wo es Licht gibt und wo wir uns frei bewegen können.“ Aber sie kann ihren Bruder nicht überzeugen. Dann, nach längerem Schweigen, sagt sie zögernd: „Ich glaube noch mehr, ich glaube, dass wir eine Mutter haben!“ Da wird der Bruder wütend: „Eine Mutter, eine Mutter!“ ruft er „was für ein dummes Zeug redest du daher. Ich habe noch nie eine Mutter gesehen und du auch nicht. Wer hat dir das bloß in den Kopf gesetzt. Dieser Ort ist alles, … mehr gibt es nicht! Warum willst du immer noch mehr. Hier ist es doch gar nicht so übel. Genieß die Wärme und Geborgenheit. Wir haben doch alles was wir brauchen!“

Die Schwester ist von der Antwort des Bruders ziemlich erschlagen und verstummt.Doch schließlich fängt sie wieder an. „Spürst du nicht ab und zu einen gewissen Druck. Das ist manchmal richtig schmerzhaft. Weißt du, ich glaube, dass dieses Wehtun dazu da ist, um uns auf etwas vorzubereiten, … was viel größer und viel schöner ist als hier, wo es Licht und Raum gibt, wo wir laufen werden und unsere Mutter ins Angesicht schauen werden. Das wird wunderbar und aufregend sein!“ Der Bruder gibt keine Antworten mehr. Er hat genug von den dummen Ansichten seiner Schwester.

Liebe Schwestern und Brüder!

Wir feiern Ostern – feiern wir auch eine dumme Ansicht? Der Bruder wird Augen machen, wenn er das Licht der Welt erblickt, ich glaube es wird uns ähnlich gehen, wenn wir Ostern einmal an unserem eignen Leib erfahren dürfen. Das Gespräch der beiden Geschwisterkinder hilft uns die ganze Spannung des heutigen Festtages zu sehen, denn Ostern mit der Botschaft von der Auferstehung Jesu ist eine gewaltige Herausforderung für den modernen Menschen – d.h. für uns alle. Die wiedersprüchlichen Ansichten der beiden Geschwister sind nicht aus der Luft gegriffen. Das Gespräch könnte in dieser Art auch in einem Freundeskreis stattgefunden haben. Vielleicht kennen wir diese Herausforderung, diese geistige Auseinandersetzung auch ganz persönlich.

Die Auferstehung der Toten ist von je her der Glaube, an dem sich die Geister scheiden. Bei Umfragen unter Christen zeichnet sich schon länger eine bedenkliche Entwicklung ab. Ein nicht geringer Teil der Getauften in unserem Land glaubt nicht an eine Auferstehung, an ein ewiges Leben nach dem Tod. Nur dann muss man fragen, was feiern wir an Ostern? Den Osterhasen?

Schauen wir auf den Anfang des Christentums! Die ersten Christen haben weitergegeben, was sie erfahren haben - in ganz einfachen, kurzen Sätzen: „Der Herr ist wirklich auferstanden.“ „Er ist dem Simon erschienen.“ „Christus wurde auferweckt am dritten Tag gemäß der Schrift.“ Das waren die Bekenntnisse der ersten Christen, die Augenzeugen waren. Die Auferstehung Jesus war damals die überwältigende Erfahrung und ist auch heute das Herzstück unseres Glaubens.

Paulus bringt das unmissverständlich auf den Punkt. Er sagt: „Wenn Jesus nicht von dem Toten erstanden ist, dann ist euer Glaube sinnlos. Dann betrügt ihr euch selbst und die anderen. Wenn Jesus nicht auferstanden ist, so folgert er, dann lasst uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot.“ (1 Kor 15,32)

Liebe Schwestern und Brüder, so wenig selbstverständlich der Glaube an die Auferstehung ist, so sehr entspricht er doch der tiefsten Sehnsucht des Menschen. Die Ahnung, die das Mädchen im Mutterleib äußert, steckt auch in uns.

Wir haben einen Hunger nach einem unbegrenzten Leben und die Ahnung, dass es dieses Leben gibt. Jede Einschränkung unserer Freiheit, unserer Lebendigkeit empfinden wir als ungerecht und lehnen sie ab - das spüren wir gerade deutlich in der Coronazeit.

Wir wollen Leben ohne Krankheit, ohne materielle Not, wir wollen leben in Frieden, ohne Streit - letztlich wollen wir ewig leben. Diese Sehnsucht des Menschen hat durch die Auferstehung Jesu eine unerwartete, unvorstellbare und unverdiente Antwort gefunden. Wir müssen unsere Sehnsucht nicht begraben, sie hat an Ostern ihre Zukunft gefunden: Wir sind berufen zum ewigen Leben, das ist unser letztes Ziel.

Es zeichnet uns Menschen aus, dass wir uns Ziele setzen, um sie zu verwirklichen. Der heutige Tag sagt uns dazu ganz klar: Jedes Lebensziel das nicht bis zu unserer persönlichen Auferstehung reicht, greift zu kurz. Was heißt das? Wenn Macht z.B. mein Lebensinhalt ist, dann wird mein Leben von heute auf morgen sinnlos, wenn ich vom Sockel der Selbstüberschätzung gestoßen werde. Wenn die Gesundheit das höchste Gut ist, dann bricht die Welt zusammen, wenn ich mich mit dem Coronavirus angesteckt habe. Ist die Familie mein alleiniger Lebenssinn, so ist die Sinnlosigkeit unausweichlich, wenn sie zerbricht. Ist der Ehepartner das letzte Glück, dann wird das Leben sinnlos, wenn der Tod die Trennung bringt.

Für den Menschen ist jeder Lebenssinn, der vor oder mit dem Tod enden könnte, zu kurz gegriffen. Deshalb ist die Auferstehung von den Toten keine dumme Ansicht, sondern eine frohe und Leben schaffende Aussicht. 

Liebe Schwestern und Brüder, der Glaube an die Auferstehung ist keine Nebensache, er verändert grundlegend unser Leben. Er ist keine Theorie, sondern im höchsten Maß versehen mit praktischen Konsequezen. Wenn ich davon ausgehen müsste, dass das Leben hier in dieser Welt alles ist,

  • dann muss ich schauen, was ich aus diesem Leben herauspressen kann, ohne Rücksicht auf Verluste;

  • dann muss ich hier auf meine Kosten kommen, koste es was es wolle;

  • dann bin ich aber auch ganz auf mich gestellt, letztlich allein auf der Suche nach Glück;

  • jede Krankheit, jeder Einschränkung im Leben wäre ein endgültiger Verlust, an dem ich zerbrechen kann.

Der Glaube an die Auferstehung stellt das Leben in einen neuen, größeren Horizont – und zwar hier und heute. Es ist eine neue Art zu Denken und zu Leben – eben aufgrund der befreienden Botschaft von Oster: Denn ich weiß dann ...

  • mein Leben liegt in der Gottes Hand - geborgen, wie das Leben seines Sohn, den er vom Tod erweckt hat;
  • ich muss nicht alles im Leben krampfhaft festhalten, ich darf loslassen und vertrauen - Gott führt mich;

  • wovor soll ich mich eigentlich fürchten – Wenn Gott für mich ist, wer kann mir dann noch etwas Entscheidendes nehmen;

  • ich kann gelassen und froh heute leben - in der Hoffnung und Vorfreude auf meine eigene Auferstehung.

Amen.

03.04.2020
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