Karfteitag in der Hauskirche

Der Karfreitag steht ganz im Zeichen des Kreuzes. Christen gedenken des Leidens und Sterbens Jesu. Sie danken ihm für seine Liebe, mit der er die Menschen bis zur Hingabe seines Lebens am Kreuz beschenkt hat. Ein besonderer Teil der Liturgie ist die Kreuzverehrung, die heuer vom Zelebranten alleine vorgenommen werden muss. Ein weiterer wichtiger Teil der Liturgie am Karfreitag sind die „Großen Fürbitten“, in denen die Kirche für die Anliegen der Kirche und der Welt betet. Aufgrund der weltweiten Corona-Pandemie möchte die Kirche in Deutschland mit einer eigenen Fürbitte die Verbundenheit mit Corona-Patienten und anderen Erkrankten besonders zum Ausdruck bringen.

 

Betrachtung zur Passion Christi

 

Liebe Schwestern und Brüder,

„In der Liebe verwurzelt und auf sie gegründet, sollt ihr ... dazu fähig sein, die Länge und Breite, die Höhe und Tiefe zu ermessen und die Liebe Christi zu verstehen, die alle Erkenntnis übersteigt", so schreibt der Hl. Paulus

Am Karfreitag wird diese Länge und Breite, die Höhe und Tiefe der Liebe Christi sichtbar.

Die Länge wird symbolisiert durch den vertikalen Kreuzesbalken, der Gott und die Welt von nun an verbindet. Christus ist am Kreuz in die Extreme hinein gedehnt, hinein gezerrt und hinein genagelt – den Bogen den er spannt reicht von der absoluten Heiligkeit Gottes bis in die absolute Bosheit des Menschen. Das Herz des dreifaltigen Gottes wird hier berührt von der Bosheit eines Hitlers, eines Stalins, eines Islamistischen Terrors – aber auch von unserer ganz persönlichen Sünde.

Christus geht hinein in dieses Extrem, in diesen Widerspruch. Nichts, aber auch gar nichts bleibt von der Liebe Gottes unberührt. Er kann uns nicht mehr davonlaufen, wenn es für ihn unerträglich würde, denn er hat sich hineinnageln lassen in die Abgründe menschlichen Daseins.

Gott kennt seine Welt nicht mehr nur vom Schöpfungsmorgen her, er kennt sie auch vom Karfreitag her. Er sagt nicht nur am Ende des Schöpfungswerkes: „Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Es war sehr gut" (Gen 1,31). Er sagt das auch in die Abgründigkeit und Finsternis des Karfreitags hinein: „Es ist vollbracht!" (Joh 19,30)

In der Liebeshingabe des Sohnes durchkreuzt er die Sünde der Welt und macht das Minus der Menschen zum Plus der Erlösung, und das ist das Kreuz.  Die Liebe Gottes ist stärker als der Tod.

Die Breite  wird vom horizontalen Kreuzbalken symbolisiert und verbindet Gott und die Menschen sowie die Menschen untereinander. Gott umgreift mit den ausgestreckten Armen seines Sohnes am Kreuz die ganze Menschheitsfamilie von den Anfängen der Menschheit bis zum Jüngsten Tag – also auch in dieser schweren Zeit der Coronarise.

Niemand hängt in der Luft oder im Leeren, sondern jeder ist von der Gegenwart Christi am Kreuz getragen und umfangen. Es gibt keinen luftleeren, d.h. „Christus-leeren" Raum mehr in dieser Welt. Keiner kann Gott mehr entrinnen.

Der Psalm 139 spricht diese neue Realität aus, indem er sagt: „Wohin könnte ich fliehen vor deinem Geist, wohin mich vor deinem Angesicht flüchten? Steige ich hinauf in den Himmel, so bist du dort, ... Nehme ich die Flügel des Morgenrots und lasse mich nieder am äußersten Meer, auch dort wird deine Hand mich ergreifen und deine Rechte mich umfangen. Würde ich sagen: Finsternis soll mich bedecken, statt Licht soll Nacht mich umgeben, auch die Finsternis wäre für dich nicht finster, die Nacht würde leuchten wie der Tag, die Finsternis wäre wie Licht" (Ps 13 9,7-12).

Gott ist gegenwärtig inmitten all unseren Zwiespältigkeiten. Nicht im verklärten Himmel unserer Wünsche führt die Suche nach Gott zum Ziel, sondern mitten in den Zerreißproben unseres Daseins. Im Alltag hat Gott uns gesucht und gefunden – und zwar am Karfreitag.

Die Höhe und Tiefe zeigt sich im durchbohrten Herzen des Herrn am Kreuz. In die Abgründigkeit des menschlichen Herzens reicht die Tiefe der Liebe Gottes, die sichtbar wird in seinem von der Lanze geöffneten Herzen. „Wären eure Sünden auch rot wie Scharlach, sie sollen weiß werden wie Schnee" (Jes 1,18), sagt der Prophet Jesaja.

Gott in der Höhe schaut in die Tiefe. Jesus wirft am Kreuz nicht seinen Kopf stolz in den Nacken, sondern er neigt sterbend sein Haupt den Menschen zu. Und Maria bestätigt diesen Blick Gottes, indem sie bekennt: „Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut".

Der Herr am Kreuz ist kein „Hans-guck-in-die-Luft", sondern er schaut in die Täler der Welt, in die Realitäten unseres Lebens – auch in Dein Leben! Und wenn ein Mensch noch so tief fallen würde, er fällt dem Herrn am Kreuz nicht aus dem Herzen, aus der Hand oder aus dem Blick.

Schließlich werden wir ihn zu Grabe tragen, dorthin, wohin wir auch unsere Toten legen. Von dort her wird Christus dann die Gräber öffnen, alles Versunkene auffangen und alles Verborgene auffinden. Der Mensch – "der verlorene Sohn" – darf heimkehren zum Vater, weil Jesus, der Sohn Gottes, ihn sucht und am Kreuz findet und ihn heimführt in die Arme des himmlischen Vaters. „Vater in deine Hände lege ich meinen Geist" (Lk 23,46) – gebe ich Dir auch ihre Herzen.

Liebe Schwestern und Brüder, der Karfreitag lässt uns etwas von der Dimension der Liebe Gottes erahnen — von der Liebe, die im Angesicht des Kreuzes sichtbar wird.Ihre Länge und Breite, ihre Höhe und Tiefe! Darum ist es würdig und recht, vor dem Kreuz niederzufallen, um die Liebe Gottes zu umarmen. Amen.

 

01.04.2020
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