Palmsonntag

Betrachtung zum Evangelium

Mit dem Palmsonntag beginnt die Heilige Woche, an deren Ende das große Osterfest steht. In dieser Woche sind wir eingeladen, Jesu Weg mitzugehen: seinen Einzug in Jerusalem, die Feier des Abendmahls, seine Gefangennahme und Verurteilung, seinen Kreuzestod und die Grabesruhe bis hin zur Feier der Auferstehung. Die Liturgie des Palmsonntags hat zwei Seiten: Wir ehren Jesus als den Sieger über Sünde und Tod und wir schauen auf ihn als den leidenden Gottesknecht, der sein Leben für uns Menschen hingibt. Im Wortgottesdienst der Messfeier wird daher den Gläubigen die Leidensgeschichte Jesu (Passion) verkündet. Auch wenn die traditionelle Segnung der Palmzweige in den Kirchen des Bistums nicht stattfinden kann, so muss sie dennoch nicht entfallen: Die Gläubigen sind eingeladen, im Hausgottesdienst ihre Palmbuschen zu segnen.

Liebe Schwestern und Brüder!

Am Beginn der Heiligen Woche sieht der Gottesdienst eine Besonderheit vor. Der Palmsonntag bietet zur Betrachtung zwei Evangeliumstexte: zunächst den Bericht über den feierlichen Einzug Jesu in Jerusalem und schließlich die Leidensgeschichte – in diesem Jahr nach dem Evangelisten Matthäus.

Noch heute bereitet uns der schnelle Stimmungsumschwung, der damals sich in Jerusalem  vollzogen hat, Kopfzerbrechen. Zu Beginn wird Jesus noch umjubelt und mit Palmzweigen und Hosianna-Rufen in der Stadt willkommen geheißen – und nur vier Tage später von der Menge ans Kreuz geschlagen.

Die Spannung des Palmsonntag liegt über der gesamten Karwoche. Sie zu spüren und ihre Logik zu erfassen, darin besteht die Herausforderung, die auch wir bestehen müssen. Jesus geht seinen Weg von Betanien über den Ölberg nach Jerusalem. Ein wahrhaft triumphaler Weg – nur der Triumpf steht nicht am Anfang, sondern am Ende des Weges.

Um das zu verstehen, müssen auch wir einen Weg zurücklegen, wir müssen die beiden Evangelien zusammensehen – sehen, dass sie sich nicht widersprechen, sondern eine einzige Wahrheit beinhalten.   

Jesus, der in Jerusalem feierlich als Messias und König begrüßt wird, ist tatsächlich der, für den er gehalten wird : Er ist der Messias – der König, der auf dem Weg zur Inthronisation ist: „Die Stunde ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht wird.“, sagt Jesus.  Jesus spricht von Herrlichkeit im Blick auf die Stunde seines Sterbens. Für diese Stunde ist er in die Welt gekommen.

Den ganzen Weg mitzugehen, macht uns zu Jüngern Jesu. Die Einwohner von Jerusalem und die Führer des Volkes sind nicht den ganzen Weg mitgegangen, sie sind auf dem Weg stehen geblieben und ihre Zustimmung und Freude schlug um in Ablehnung und Hass. Wie bezeichnend ist doch die Aussage des Hohepriesters: „Es ist besser, wenn ein einziger Mensch für das Volk stirbt, als wenn das ganze Volk zugrunde geht.“ Ohne den tieferen Sinn seiner eigenen Aussage zu erfassen, spricht er aus, um was es in Wahrheit geht: Jesus wird sterben, damit das Volk nicht zu Grunde geht. Nur in einem ganz anderen Sinn als der Hohepriester sich das gedacht hat. Jesus will für das Volk sterben und es erlösen, er gibt sein Leben aus freien Stücken hin, um allen Menschen die Erlösung anzubieten.

Die Herausforderung der vor uns liegenden Woche besteht sicher in diesem Jahr auch darin, dass wir nicht gemeinsam Gottesdienst feiern können. Aber die wohl noch größer Herausforderung liegt darin, Jesus den ganzen Weg betrachtend und betend zu begleiten, dass wir auch selbst beim Kreuz Jesu ankommen. Damals waren es nicht viele, denen es gelungen ist. Maria, die Mutter Jesu, und Johannes stehen unter dem Kreuz stellvertretend für jene, die im Glauben an Jesus beim Kreuz angekommen sind.

Was für ein Kontrast zwischen den grünen Zweigen und dem Kreuz, den Blumen und den Dornen! Dem sie zuvor die eigenen Kleider als Teppich auf die Straße legten, reißen sie bald darauf die seinen vom Leib und Würfeln um sie.Vor dem Hintergrund dieses tragischen Umschwungs sollten auch wir bedenken, dass unsere Liebe zu Christus beharrlich sein muss, unsere Treue beständig, unsere Absichten im Glauben nicht nur kurzlebige Lichter.

Auch in unserem Herz finden wir tausend widersprüchliche Regungen: wir sind fähig zum Erhabensten und fähig zum Gemeinsten.

Der Palmsonntag lehrt uns: Das Leben der Freundschaft mit Gott ist nur möglich, wenn wir fest bleiben in der Liebe zu Christus, beharrlich im Ringen, alles beiseite zu lassen, was uns von Gott trennt – treu zu leben in der Nachfolge.

Den ganzen Weg mitzugehen, macht uns zu Jüngern Jesu.

30.03.2020
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