Coronavirus

Liebe Schwestern und Brüder,

es ist ein Gebot der Nächstenliebe, den möglichen gesundheitlichen Gefahren bei einer Epidemie entgegenzuwirken. Das Bistum Augsburg ordnet an, dem Grundsatz zu folgen, alle Veranstaltungen und Zusammenkünfte auf den Prüfstand zustellen und sofern diese nicht in einem hohen Maße unbedingt notwendig erscheinen abzusagen.

Gott zu loben und für die Not der Zeit zu beten betrachten wie in einem hohen Maße als notwendig.

Bleiben wir in der Freude und Gelassenheit, Gott wird alles fügen.

Mit besten Segenswünschen

Martin Straub, Pfr. 

 

 

 

Gedanken zur Coronavirus-Epidemie und die damit verbundene Angst-Epidemie

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Mehr noch als die Epidemie des Coronavirus müssen wir die Epidemie der Angst fürchten! Daher sollten wir – neben den sinnvollen und notwendigen Vorsichtsmaßnahmen, die wir als Kirche ernstnehmen – nicht der kollektiven Panik nachgeben.

Werden Christen aufhören, zusammenzukommen, um zu beten? Werden sie es aufgeben, ihre Mitmenschen zu treffen und ihnen zu helfen? Abgesehen von den elementaren Vorsichtsmaßnahmen, die jeder spontan trifft, wenn er krank ist, um andere nicht anzustecken, ist es nicht ratsam, alle Kontakte einzustellen.

Wir sollten uns eher daran erinnern, dass bei anderen großen Epidemiendie die christliche Bevölkerung sich auch durch kollektives Gebet auszeichnete und durch Hilfe für die Kranken, Hilfe für die Sterbenden und durch die Beerdigung der Verstorbenen. Kurz gesagt, die Jünger Christi wandten sich nicht von Gott ab und versteckten sich nicht vor dergleichen. Im Gegenteil!

Hier treten wieder Personen in unseren Fokus, die wir Heilige nennen!

Es war im Jahr 1576 als Mailand von einer großen Pestepidemie heimgesucht wurde, die schon seit Jahrzehnten auf dem europäischen Kontinent wütete und der bis zu zwei Drittel der Bevölkerung der Metropolen zum Opfer gefallen waren. Mailands Bewohner lebten in Angst und Schrecken.

Aber die Menschen waren nicht verlassen: in ihrer Mitte stand ein Mann auf und stellte sich der Herausforderung seiner Zeit. Es war Kardinal Carl Borromäus. Er richtete ein Spital im Erzbischöflichen Palais ein und stand den vielen Kranken, die dort aufgenommen wurden, persönlich bei.

Im Oktober wurde die Lage in der Stadt immer dramatischer. Dem Kardinal stand klar vor Augen, dass der Seuche kein menschliches Mittel entgegenzusetzen wäre, so setzte er ein anderes, sehr beredtes Zeichen.

An der Spitze seiner Priester trat er aus dem Dom, gekleidet in ein einfaches Büßergewand, barfuß mit einem Strick um den Hals. Er weihte Asche und bezeichnete sich damit selbst, dann die Priester und die anwesenden Gläubigen mit der Aufforderung: „Gedenke Mensch, dass du Staub bist und wieder zu Staub werden wirst!"

Wenn der Kardinal im Oktober einen Teil der Ascher-mittwochsliturgie betete, wird er kaum vorgehabt haben, die Gläubigen an ihre Sterblichkeit zu erinnern, denn dieser Gedanke war in ihren Köpfen präsent, Tag und Nacht, wo immer sie hinblickten.

Aber er wollte sie eben genau aus diesem Kreisen um sich selbst und um ihre Angst herausholen. Er wollte ihre Gedanken in andere, in die richtigen Bahnen lenken, er gab den Menschen Orientierung und zeigte den Weg zur Heilung, die immer zuerst eine Heilung der Seele sein muss.

Er nahm ein schweres Holzkreuz auf seine Schulter und ging als Büßer durch die Stadt und die Menschen folgten ihm. Er betete, predigte und spendete Tausenden die Sakramente. Und er gelobte eine Wallfahrt und ging den langen Weg singend und betend stellvertretend für seine ihm anvertrauten Menschen, ein wahrer Stellvertreter Christi, der alles – was ihm selbst zur Verfügung stand – für seine Herde einsetzte und nichts und niemand konnte ihn davon abhalten!

Wie arm dagegen sind wir doch heute! Zwar leben wir 444 Jahre später in der längsten Friedensepoche, die Europa jemals erlebt hat und noch nie zuvor haben breite Bevölkerungsschichten einen solchen Wohlstand erlebt, wie wir ihn erleben dürfen, aber der Hedonismus hat von der Gesellschaft vollständig Besitz ergriffen, … der Tod ist aus den Gehirnen verdrängt, der Glaube ist nahezu erloschen, Sinn und Zweck des Lebens ist die Freizeit. Gott hat darin keinen Platz mehr.

Aber dann, vor wenigen Wochen tritt eine Bedrohung in Form eines Virus in unser Dasein und explosionsartig breitet sich Panik aus, denn plötzlich tritt die Verletzlichkeit und Endlichkeit des Lebens vor unsere Augen.

Und diese Panik ist ansteckend: Da und dort wird die hl. Messe schon abgesagt – und das in einer ganz besonderen Zeit des Jahres, der Fastenzeit, die die Vorbereitung auf das höchste christliche Fest ist, nämlich Ostern, das Fest der Auferstehung, das Fest der Überwindung des Todes.

Glauben wir wirklich, dass der Leib Christi uns Schaden zufügen kann? Haben wir noch nie erlebt, wie viel Kraft eine hl. Messe geben kann, wie viel Kraft und Stärke die hl. Kommunion?

Warum sollten wir daran denken, den Menschen diese Gnadenmittel vorzuenthalten, gerade dann, wenn sie diese am nötigsten brauchen? Wie oft haben wir schon das Evangelium verkündigt, in dem Jesus uns sagt, dass sogar die Haare auf unserem Kopf gezählt sind? Kann uns denn irgendetwas zustoßen, das nicht von unserem Herrn zugelassen ist?

Trauen wir Gott so wenig zu, trauen wir den Gläubigen nicht so viel Mündigkeit zu, selbst entscheiden zu können, ob sie die hl. Messe besuchen oder nicht? Ob sie dieses Risiko tragen wollen oder nicht? In unseren Kirchen sitzen die Menschen nicht mehr so dicht gedrängt, so dass das Risiko unerträglich hoch wäre.

Könnte es nicht sein, dass uns unser Herr wichtiger ist als unser Leben? Die hl. Messe ist keine „Veranstaltung", auch keine „Versammlung", sie ist die Erneuerung und Vergegenwärtigung des Kreuzesopfer Christi, dessen eine kranke Gesellschaft so dringend braucht, mehr denn je.

Schauen wir neben Karl Borromäus noch auf Mutter Teresa. Sie hat in Kalkutta in Indien viele Lepra-Häuser gegründet.

Neben den klaren Anweisungen, die Mutter Teresa zum Kontakt mit den akut Kranken gab, waren die Besucher immer davon berührt, wie sie mit ungebremster, unvorsichtig liebevoller Zärtlichkeit mit allen „ihren" Leprakranken umging.

Daraus können wir praktische Lehre für die Pandemie ziehen: Beachten wir die Hygiene und alle vernünftigen Vorsichtsmassnahmen gegen eine Ansteckung oder Verbreitung des Virus, aber vergessen wir nicht die zärtliche Liebe für die kranken und die vielen oft verängstigten Menschen.

Wir sind als Christen alle zur Liebe für diese Menschen berufen, jeder zu seiner Zeit, auf seine Art und in seiner ureigensten Lebensgeschichte.

Kaum jemand von uns kann tun, was eine heilige Mutter Teresa getan hat, nämlich ein Lepradorf gründen. Vielleicht sind auch nur wenige von uns berufen, ihr Leben für ihre Mitmenschen aufs Spiel zu setzen, wie viele Heilige, die ihr Leben in der Pflege ansteckender Kranker hingegeben haben.

Wer aber mit alten oder erkrankten Menschen die eventuell notwendige Quarantäne teilt, wer die regelmäßige Versorgung mit Lebensmitteln für quarantänierte Nachbarn sicherstellt, wer geistlichen Trost oder menschliche Nähe zu Vereinsamten und Verängstigten bringt, der kann das wie Karl Borromäus oder wie Mutter Teresa tun: mit zärtlicher Liebe.

 

 

10.03.2020
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