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Die katholische Kirche, die ich kenne, ist anders: Wann zeigen die Medien das ganze Bild?

von MARTIN EBERTS

Sie kommt nicht raus aus den negativen Schlagzeilen, nur vom Regen in die Traufe. Man kann Meldungen über die Kirche fast blindlings auswählen und hat doch immer die gleichen Themen: Böse, böse, böse in der Vergangenheit, und ganz böse vertuschend in der Gegenwart.

Bild: pixabay

Exemplarisch ist das, was innerhalb weniger Tage gerade wieder die veröffentlichende Meinung bestimmt hat: In Deutschland wirft ein prominenter Erzbischof und Kardinal den Büttel hin – konkret dem Papst den Bischofsstab vor die Füße. Der Bischof ist anscheinend fertig mit dieser Kirche; so wird es jedenfalls dargestellt. Und aus Nordamerika bewirft ein Premierminister den römischen Pontifex mit einer monströsen Horrorstory über „Massengräber“, für die bitte schön die Kirche jetzt aber schnell die Verantwortung übernehmen möge.

Beides klingt wie eine Glosse aus einem marxistischen Politmagazin – aber nein! Es sind ganz echte Meldungen. Schauen wir also etwas genauer hin. Dabei maße ich mir keine Bewertung der konkreten Fälle im Einzelnen an; dazu reicht die Medienberichterstattung nicht aus. Ich stelle nur die Frage nach der Plausibilität.

Kardinäle tragen die Farbe Rot, Purpurrot; das steht für das Blut der Märtyrer. Es bedeutet, dass sie für den Glauben einstehen, notfalls mit ihrem Leben. Was ist nun Furchtbares mit der Kirche in Deutschland passiert, dass ein Kardinal so weit geht, „ohne mich“ zu rufen? Was soll es heißen, dass die Kirche „am toten Punkt“ angekommen sei? Haben Kirche und Gläubige den Glauben endgültig verraten? Lohnt es sich nicht mehr, sich für diese Kirche aufzuopfern? Hat er das wirklich gemeint? Sollen wir im Ernst glauben, die Katholische Kirche in Deutschland sei so verkommen, verdorben, verrucht, dass ein guter Hirte sich nur noch mit Grausen abwenden kann? Da stimmt doch was nicht…

Dann die Horrorstory aus Kanada: Da wird insinuiert, es habe in großem Umfang Morde an indigenen Kindern in katholischen Heimen gegeben. Wie sonst ist die plakative Rede von den „Massengräbern“ zu verstehen? Da denken wir doch sogleich an Kriegsverbrechen und Massaker – künftig aber auch an die Katholische Kirche? Nicht der Staat hat sich also versündigt, der den Ureinwohnern ihre Kinder brutal gestohlen hat, sondern die Kirche, die sich um sie kümmerte, weil es sonst niemand getan hätte? Sollen wir im Ernst glauben, die Katholische Kirche habe einen Genozid an Kanadas „First Nation“ begangen? Nur mal so zum Vergleich: Wolfgang Amadeus Mozart wurde in Wien in einem Armengrab – ja, einem Massengrab – beerdigt. Hat schon mal jemand erforscht, ob er das Opfer eines geheimen Genozids an musikalischen Genies geworden ist? Und nicht vergessen, dabei die katholische Spur zu verfolgen!

Was ist los mit dem gesunden Menschenverstand? Haben wir schon zu viele Verschwörungstheorien und so viel politische Kolportage konsumiert, dass wir jetzt jede Tatarenmeldung ernst nehmen und von jedem haltet-den-Dieb übertölpelt werden? Mich beschleicht ein ganz ungutes Gefühl, wenn ich diese bizarre Karikatur der Katholischen Kirche betrachte. Wie konnte es soweit kommen, dass die höchste moralische Instanz auf diesem Planeten mit dem düsteren Image des organisierten Verbrechens kämpfen muss?

Vermutlich weil sich jeder und jede doch insgeheim noch der Tatsache bewusst ist, dass diese Kirche uns etwas zu sagen hat, etwas, das wichtiger ist als alles andere und das auch etwas von uns verlangt. Und das wollen wir natürlich nicht hören; da kommt es passend, wenn die moralische Instanz selbst ganz unmoralisch wirkt. Das entlastet…

Vielleicht liegt es aber auch daran, dass die Katholische Kirche die einzige gesellschaftliche Großgruppe ist, die sich uneingeschränkt auch für ihre Feinde und Verräter verantwortlich fühlt. Am Beispiel des infernalischen Missbrauchsskandals betrachtet: Noch hat kein Bildungs- oder Innenminister eines Bundeslandes seinen Rücktritt erklärt oder auch nur ein „mea culpa“ gesprochen, um die Verantwortung für Missbrauchsfälle an Schulen und in Sportvereinen zu übernehmen. Kein Verbandsvorsitzender käme auf so eine Idee, kein NGO-Präsident, Amtsleiter oder gar Parteivorsitzender – letzterer noch nicht einmal dann, wenn die Partei in der Vergangenheit Missbrauch nicht nur praktiziert sondern sogar gepredigt hätte.

Keiner nimmt daran Anstoß, und es wird Jahr um Jahr fast nur ausschließlich der Kirche etwas verlangt, vor allem die Auflösung ihrer angeblich so strengen Sexualmoral, so als sei diese die Ursache von Verfall und Missbrauch. Ausgerechnet die Lockerung der Moral soll die Rettung bringen? Das ist in etwa so schlüssig wie die Forderung, den Beruf des Brandmeisters abzuschaffen und Feuerlöscher mit Benzin zu befüllen, weil sich Pyromanen bei der Feuerwehr eingeschlichen und Brandanschläge verübt haben.

Warum erscheinen mir all die Zerrbilder der Kirche so wenig plausibel? Weil ich eine ganz andere Katholische Kirche kenne, und die hat mit diesem Schreckbild nichts gemein. Es ist die Kirche, zu der ich vor vielen Jahren übergetreten bin und in der ich Menschen treffe, Priester und Laien, die mit einer natürlichen, tiefen Frömmigkeit erfüllt sind, einer Frömmigkeit, die sie vielleicht nicht immer befähigt Berge zu versetzen, aber doch hohe Hürden zu nehmen und dabei gelassen und froh zu bleiben. Es ist eine Kirche, deren Glaubenslehre auf faszinierende Weise direkt bis zu den Aposteln zurückführt, zur berühmten Urkirche, und die zeitlos ist, weil sie eine ewige Glaubenswahrheit als ihren Schatz bewahrt, aber eben keine abstrakte Lehre, sondern die persönliche Beziehung zu Jesus Christus.

In sieben Ländern auf drei Kontinenten habe ich das erlebt, ebenso aber in Deutschland, und diese echte römisch-katholische Kirche bestand noch immer den Plausibilitätstest. Es ist der gelebte, authentische Glaube, der junge Leute motiviert auf einer Wallfahrt Schwerbehinderte zu betreuen und sich zu nächtlicher Stunde vor dem Allerheiligsten zum Gebet zu versammeln. Es ist dieser Glaube, der einen Priester wochenlang im schlimmsten Pandemie-Hotspot Leidende trösten und Sterbende begleiten lässt, in voller Hingabe dem Risiko trotzend.

Es ist dieser Glaube, der einen Bekenner 27 Jahre in verschiedenen Gefängnissen im kommunistischen China überleben lässt, ohne dabei den Verstand zu verlieren, oder die Hoffnung, oder den Glauben. Die Kirche, von der solche Menschen Zeugnis ablegen, ist die Katholische Kirche, die mich beeindruckt und geprägt hat.

Mit freundlicher Erlaubnis von the-germanz.de. Zuerst erschienen am 12.6.2021
21.06.2021
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